Ein Antrag auf Auflösung der Piratenpartei. Ja, in der derzeitigen Situation ist das eine der Optionen. Ich halte es aber nicht für die beste Option.
Was soll denn die Alternative sein?
Es wurde ja bereits überlegt, (ggf. geschlossen) einer anderen Partei beizutreten. Besser 0,5% für $PARTEI als 0,5% für die Blau-Braunen.
Bleibt die Frage, was denn $PARTEI sein soll. Von den Parteien, die derzeit über 5% liegen, sehe ich derzeit keine, die ich guten Gewissens auch nur wählen könnte. Geschweige für die Wahlkampf machen. Die Union ist derzeit schon jenseits der Grenze des Erträglichen, mit einem neuen Vorsitzenden wird das wohl nicht besser. Mit der SPD sieht es derzeit nicht besser aus, aber diese Partei scheint ohnehin alle Energie darauf zu verwenden, unter die 5%-Hürde zu kommen. Die FDP will mir viel zu sehr am rechten Rand fischen, und selbst dann, wenn sie wieder davon abkommen würde, wäre es dann ein neoliberaler und kein sozialliberaler Haufen.
Die LINKE ist, auch wenn sie punktuell durchaus brauchbare Politik macht, halt die Ex-Stasi-Partei. Zumal ich mich nicht als Linken, sondern als Liberalen sehe. Die GRÜNEN vertreten dagegen fast überall brauchbare Positionen – solange sie in der Opposition sind. Hier gibt es wohl eine Inkompatibilität beim grundsätzlichen Politikverständnis. Ich brauche nur – noch nicht mal lange – darüber nachzudenken, wie ich am Infostand dafür Rede und Antwort stehen müsste, warum NSU-Akten 120 Jahre weggeschlossen werden sollen, um das als Option auszuschließen.
Zudem halte ich oben skizzierte Rechnung für schon im Ansatz falsch: Die Stimmen, die derzeit an die Piraten gehen, würden dann nicht zu den etablierten Parteien im demokratischen Spektrum gehen. Wer sich auch vorstellen kann, GRÜNE zu wählen, wählt jetzt schon GRÜNE, wer sich vorstellen kann, die LINKE zu wählen, tut das bereits jetzt. Wir konkurrieren mit der Entscheidung, nicht zu wählen, DIE PARTEI oder eine andere Kleinstpartei zu wählen, dank uns kann man auch Protest wählen, ohne bei den Blau-Braunen anzukreuzen.
Wer sich vorstellen kann, auch bei einer anderen Partei mitzuwirken, darf das gerne tun, ich bin deswegen nicht böse – aber für mich sind die Piraten schon aus diesem Grund alternativlos. Das muss nicht auf immer so bleiben, aber so ist es im Moment.
Also weiter so wie bisher?
Nein definitiv nicht.
Mein Vorschlag für die absehbare Zukunft wäre:
1.) Mit Anstand und Engagement den aktuellen Europawahlkampf wuppen. Wir wollen doch die Tschechen in Brüssel nicht alleine lassen, oder?
2.) Nach der Europawahl die Partei erst mal in den „Wartungsmodus“ versetzen. Wir müssen nicht jede Landtagswahl „mitnehmen“. Statt dessen sollten wir lieber mal den „Kahn wieder flott machen“.
Konkret:
a) Die Verwaltung so weit zu sanieren, dass sich der Vorstand darüber quasi keine Gedanken mehr machen muss, und sich auf politische Themen fokussieren kann. Dass IT, Mitgliederverwaltung, Rechenschaftsberichte einfach „funktionieren“. Und auch skalieren, sollten die Mitgliederzahlen mal wieder steigen.
b) Die letzten zehn Jahre Piratenpartei „aufarbeiten“: Was hat gut funktioniert, was nicht, warum? Welche Lehren ziehen wir aus diesen Feststellungen?
c) Die Struktur unserer Partei überdenken und neu festlegen. Was ist Sache des Vorstands, was ist Sache der Basis, und warum soll das so sein? Wie schaffen wir einen fairen Ausgleich zwischen den einzelnen Strömungen?
d) Endlich ein verbindliches System zur Online-Mitbestimmung einführen. Fast egal, welches – immer noch besser als diese Dauer-Hängepartie namens BEO.
e) Generalsanierung unserer Programmtik. Da sind ja viele gute Ideen drin, aber das ist alles „historisch gewachsen“ und passt nicht überall gut zusammen. Es sollte auch mal gründlich durchsortiert werden, was grundsätzliche Ziele und was Ideen zur Umsetzung sind, was wir für kurzfristig möglich halten und wo wir langfristig hin wollen. Und ja, wir müssen auch wieder mal ein paar neue Ideen entwickeln.
f) Weg von der Fixierung auf Wahlergebnisse. Wir waren immer eine Mischung aus politischer Partei, Denkfabrik, politischem Experimentierfeld und Politikausbildungsbetrieb. Wenn ehemalige Piraten in anderen Parteien unsere Positionen voranbringen, dann ist das ein Erfolgt und kein Misserfolg. Und je leiser wir „wer hat’s erfunden“ rufen, wenn andere unsere Ideen umsetzen, desto öfters werden die das tun.
g) „Politik der offenen Tür“ gegenüber kompatiblen Parteien, gerade auch solchen, die eigentlich „Piraten-Ausgründungen“ sind und längst nicht so erfolgreich waren, wie sie sich ursprünglich vorgenommen hatten.
Wo liegen die Chancen?
Natürlich liegen die Chancen auch bei Ideen, die andere umsetzen, bei „Abgewanderten“, die Ideen in andere Parteien tragen. Wo aber liegen unsere Chancen als politische Partei?
a) Bei den Nichtwählern. Bei den von der Politik Frustrierten. Bei denjenigen, die Sekundärtugenden wie Ehrlichkeit, Rückgrat und Bescheidenheit auch in der Politik schätzen.
b) Das Potential, das eine Wahlentscheidung von der Position im Bereich der Immaterialgüterrechte abhängig macht, dürfte nach wie vor im 0-Komma-Bereich liegen, sollte für uns aber besonders einfach zu erschließen sein. Größer, wenngleich auch nicht mehr ganz so „low hanging fruits“, dürfte das Potential derjenigen sein, die eine andere Netzpolitik wollen.
c) Daneben würde ich das Thema „wie soll unsere Gesellschaft in Zukunft aussehen“ adressieren. Blick über den Tellerrand der Tagespolitik.
Mal ganz im ernst: warum sollten frustrierte Nichtwähler plötzlich Piraten wählen? Was habt ihr denn für frustrierte im Angebot? Eure Inhalte sind ja meilenweit von der Wirklichkeit entfernt. Du sagst ja selbst ihr redet wie die grünen. Deshalb wählt euch keiner. Wer grün will wählt das original. Rückrad kann ich auch nicht erkennen. Nur Hypermoralismus und wenn es gegen eure rosarote Blumenwelt geht dann kommt donnerndes Schweigen. Ihr seid längst wie die etablierten nur ohne Geld und Posten. Aber inhaltlich ist das das selbe in grün oder besser orange.
Aufarbeiten?
Nun ja, fordern viele schon seit Jahren, mit ähnlichen Punkten die hier aufgeführt sind!
Nur? Leider sind „irgendwo“ und „irgendwann“ immer Wahlen. Auch nach der EU Wahl.
Deshalb ist dieser Punkt „Wahlen aussetzten“ nicht förderlich die Partei zu stärken.
Es gibt jetzt schon LVs, die sich für die nächsten LTW vorbereiten.
Was meinst du, was da für eine Freude aufkommt, wenn wir sagen, eure Wahl unterstützen wir jetzt nicht, weil wir aufarbeiten müssen?
Dieses „Aufarbeiten“ hätte schon lange stattfinden können und müssen. Zum Beispiel auch durch Beobachtungen zur EU Wahl. Parallel!
Und zur Befragung der Bürger über die Partei an Infoständen genutzt werden.
Denn für eine Aufarbeitung sollten als Grundlagen nicht Meinungen aus der Partei, sondern Meinungen „von außen“ über uns dienen. Diese große Chance vergeben wir jetzt.
Und danach kommen dann wie gesagt andere Wahlen, bei denen sich aktive Piraten schon jetzt engagieren.
Du willst für den Europawahlkampf noch mal Kräfte Bündeln, vermutlich mit dem Erfolg das wir hinterher kein Europaparlamentsmandat mehr haben.
Alle Problem der Partei waren 2011 und jedes mal heiß es: „lasst uns erst mal Wahlkampf machen“
Nach einer verlorenen Europawahl werden weitere ausgebrannte oder frustrierte Piraten der Partei den Rücken kehren.
Bereits jetzt ist es sehr fraglich ob die vorhandenen Aktiven noch reichen um die Partei zum Erfolg zu reformieren.
Ich denke wir müssen die knappen Ressourcen die wir haben jetzt einsetzen um die Partei zu reformieren, nach der Europawahl ohne oder jedenfalls viel weniger Ressourcen wird es noch schwerer.
Wie schon vor über einem Jahr ausgeführt (https://computerdemokratie.de/2017/05/14/10-thesen-zur-situation-und-zur-zukunft-der-piratenpartei/) gehöre ich nicht zu denjenigen, die immer auf nach der nächsten Wahl vertrösten.
Ok, ich konnte nicht ausreichend Piraten davon überzeugen, die Bundestwagswahl runter zu priorisieren. Aber eine Konzentration auf die Europawahl war damals schon richtig und ist es immer noch.
Ich lese interessiert mit. Der historische Artikel (https://computerdemokratie.de/2017/05/14/10-thesen-zur-situation-und-zur-zukunft-der-piratenpartei/) war imo schon zu spät, aber gut genug, um einen kräftigen Impuls zum Ändern zu liefern. Indes ist (fast) nichts in diese Richtung passiert. Das ist schon interessant zu beobachten. Welche Signale brauchen die zurückgebliebenen (also noch in der Partei verbliebenen) Piraten denn noch, um sich endlich aufzuraffen?
Die Piraten abzuwickeln lohnt nicht – es ist wegen „Nichts Tun“ von allein eingeschlafen und dann wächst auch das Gras von allein darüber.
Stellt Fragen, werdet wieder aktiv und – – –
schaut Euch diesmal besser um, WER IN DEM KARREN sitzt den ihr aus dem Dreck ziehen wollt.
Ihr habt jetzt eine Menge Erfahrungen gesammelt, Ihr habt immer noch eine ziemlich gute Infrastruktur und/oder das organisatorische & technische Know How für einen zeitgemäßen/modernen Politikbetrieb.
Die Probleme der Bevölkerung werden jedes Jahr zunehmen. Es besteht immer mehr Notwendigkeit die Not zu wenden. Alles was Euch wirklich zum politischen Erfolg fehlt kostet kein Geld sondern nur Selbstüberwindung, Kommunikation und dann – nach geleisteter Selbstüberwindung – etwas Geduld.