Eben kam der folgende Tweet rein, und für eine brauchbare Antwort brauche ich ein wenig mehr als 140 Zeichen…
Zunächst einmal formal: „Sozialstaat 3.0“ ist (bislang) keine Position der Piratenpartei, sondern ein Vorschlag zur Diskussion innerhalb der Piratenpartei.
Zweitens: Der Begriff des „Leistungsträgers“ würde ich ziemlich unabhängig von der Höhe des Einkommens definieren – wird sind ja nicht die FDP. Gerade auch die Krankenschwester, die Pflegekraft und natürlich auch die Kinder erziehende Mutter sind Leistungsträger.
Und selbstverständlich: Ein Grundeinkommen in auskömmlicher Höhe wird nur dann ausgezahlt werden können, wenn die Besteuerungsgrundlage nicht wegbricht. Gerade deswegen bin ich über manche Diskussion in der Piratenpartei und der Grundeinkommensbewegung *hust* nicht übermäßig glücklich.
Aber schauen wir uns das mal konkret am Modell an: „Sozialstaat 3.0“ ist so ausgelegt, dass die Brutto-Netto-Kurven nahe am status quo verlaufen, alles andere lässt sich ohnehin nicht mehr seriös prognostizieren. Wir haben im Konzept zwei milde Umverteilungsmechanismen, diese verlaufen von einkommensstark nach einkommensschwach und von Single nach Familie. Ein gut verdienender Single wird also finanziell schlechter gestellt, sein Zugewinn liegt eher im Bereich vereinfachtes Steuerrecht und sozialer Friede.
Nehmen wir mal so einen Single-Arbeitnehmer, den man wohl auch in der FDP unter die Rubrik „Leistungsträger“ subsummieren würden, also mit 180.000 Euro jährlich. Wenn wir diesen ohne Kirchensteuer in http://www.brutto-netto-rechner.info/ einspeisen, dann kommt ein Netto von 8415,90 Euro raus (Jahr 2015, 45 Jahre, Ba-Wü, 1000 jährlicher Steuerfreibetrag), nach „Sozialstaat 3.0“ (http://computerdemokratie.de/michael/calc6/Project1.html) wären es 7727,00 Euro, das sind knapp 9% weniger. Möglicherweise wird sich dessen Begeisterung in Grenzen halten, aber ich glaube nicht, dass er deswegen kündigen wird – und sei es nur deswegen, weil er vorhat, demnächst die Steuerklasse zu wechseln. Wenn wir dasselbe Einkommen mal auf eine klassische Ein-Verdiener-Familie mit zwei Kindern prüfen, dann hat der heute 9173,06 Euro netto, vorsichtshalber rechnen wir das mal zuzüglich Kindergeld von 376,- Euro (keine Ahnung, ob der Brutto-Netto-Rechner das bereits eingepreist hat), wären also ein Netto-Haushaltseinkommen von 9549,06. Nach „Sozialstaat 3.0“ wären es ein Haushaltsnetto von 9448,50, das ist etwas ein Prozent weniger. Bei diesem Beispiel (mit der Familie) haben wir eine steuerliche Belastung von 32,98% und eine Gesamtbelastung (inkl. Sozialversicherungsbeiträge) von 37,01% – man darf sich da von den nominell 50% nicht täsuchen lassen.
Betrachten wir nun eine andere Leistungsträgerin, also eine Altenpflegerin mit 2500,- brutto, die nach status quo 2015 als Single 1668,13 Euro und als alleierziehende Mutter mit zwei Kindern 1689,05 (rechnet hier Brutto-Netto-Rechner richtig?), mit Kindergeld also 2065,05 Euro netto hat. Vielleicht kommt noch ein wenig Kindesunterhalt vom Vater hinzu. Nach „Sozialstaat 3.0“ wären das als Single 1654,50 (also knapp 1% weniger), als alleinerziehende Mutter 2846,50. Wir sehen hier also, dass hier nicht unterschiedslos geringe Einkommen besser gestellt werden, sondern dass eine Umverteilung von gut verdienenden Singles zu schlecht verdienenden Familien erfolgt. Für schlecht verdienende Singles und gut verdienende Familien bleibt alles sehr nahe am status quo.
Betrachten wir auch noch die Situation der Unternehmen: Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Besteuerung der Ausschüttung summieren sich zu einer Steuerlast von im Mittel etwa 48,5% (die Hebesätze der Gewerbesteuer sind von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich). Diese Steuerlast wird auf glatt 50% ansteigen, und bei den Summen, um die es da geht, ist das schon richtig Geld. Auf der anderen Seite: Da auch die Arbeitgeber-Beiträge zur Krankenversicherung wegfallen, steigt auch der Gewinn der Unternehmen an, abhängig von der Lohnquote. Für die meisten Unternehmen wird sich da nicht viel ändern (mit Ausnahme, dass es die Lohnbuchhaltung dann einfacher haben wird, weil so Dinge wie Steuerklassen wegfallen).
Insgesamt also: Der Einwand, dass man die „Rechnung nicht ohne den Wirt“ machen soll, dass also auch bei der Einführung eines Grundeinkommens die Belastungen des Besserverdienenden wettbewerbsfähig bleiben müssen, ist völlig berechtigt. Aber exakt dieses wurde bei „Sozialstaat 3.0“ berücksichtigt.