Nachtrag zu PP002

Während der Diskussion auf einem Parteitag kann der Antragsteller sich nicht zu allen Punkten äußern, die an den Mikrofonen in dies Diskussion eingebracht werden. Das ist einerseits auch gut so, weil die Diskussion sonst völlig ausufern würde und auch der Antragsteller unangemessen viel Redezeit bräuchte. Andererseits bleiben dann auch Argumente unbeantwortet, was für beide Seiten auch ein wenig unbefriedigend sein kann.

Von daher möchte ich jetzt die Gelegenheit nutzen, noch auf ein paar Aspekte einzugehen:

Der Begriff „bedingungslos“

Nach meiner Einschätzung ist der Begriff „bedingungslos“ umstrittener als der Begriff „Grundeinkommen“, auch in der Piratenpartei. Für diejenigen, die diesen Begriff vermeiden möchten, gibt es nun die Möglichkeit, ihn zu vermeiden, das sowohl das „Grundeinkommen“ als auch das „bedingungslose Grundeinkommen“ Position der Piratenpartei ist. Letzteres als langfristiges Ziel, ersteres als Zwischenschritt(e) dorthin.

Der spezielle Ansatz des Modells „Sozialstaat 3.0“

In der Diskussion wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass das Modell „Sozialstaat 3.0“ einige Dinge etwas speziell löst, namentlich die Mischfinanzierung mit dem Wohngeld und das vollständig existenzsichernde Grundeinkommen für Kinder bei nur partiell existenzsicherndem Grundeinkommen für Erwachsene. Andere Modelle wählen da andere Ansätze.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Modell „Sozialstaat 3.0“ explizit nur als Beispiel genannt wird, die Piratenpartei hat sich mit PP002 nicht darauf festgelegt. Das Positionspapier setzt einen Rahmen, in den sehr unterschiedliche Modelle passen.

Die Sache mit der Flat Tax und der Progression

Spielt einfach mal einer wenig mit dem Kalkulator für das Modell „Sozialstaat 3.0“ rum (https://computerdemokratie.de/michael/calc7/Project1.html) und betrachtet die Zeile „faktische steuerliche Belastung“. Dann sollte schnell klar werden, wie aus der Kombination aus Grundeinkommen und Flat Tax eine faktische Progression entsteht, auch wenn diese in den Einzelkomponenten nicht enthalten ist.

Geht das nicht auch kompakter

Ja, das geht. Kompakter ist es im Bundestagswahlprogramm (die Forderungen dort sind aus der ersten, nie eingebrachten, Fassung dieses Positionspapiers entnommen).

Ich vermisse andere Steuern

Das Positionspapier schließt nicht aus, dass weitere Steuern zur Finanzierung eines Grundeinkommens herangezogen werden.

Das beispielhaft genannte Modell „Sozialstaat 3.0“ wurde so konzipiert, dass alles außen vor gelassen wurde, was 1.) nicht verlässlich prognostizierbar ist oder 2.) Auswirkungen auf das Preisnievau hat.

So ist es sicher sehr überlegenswert, zur Finanzierung eine Finanztransaktionssteuer und/oder eine Bodenwertsteuer heranzuziehen. Beides ist jedoch im Aufkommen nicht seriös prognostizierbar, und beides wird Auswirkungen auf das Preisniveau haben. Auch die Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes bei entsprechender Erhöhung des Grundeinkommens halte ich für sehr sinnvoll. Allerdings steigen dadurch die Preise und sinkt somit die Kaufkraft des ausgezahlten Grundeinkommens. Man erreicht durch weitere Steuern zwar Grundeinkommens-Beträge, die beeindruckend hoch sind, allerdings sind das letztlich nur Taschenspieler-Tricks.

Mit dem Modell „Sozialstaat 3.0“ soll gezeigt werden, wie ein Einstieg seriös finanziert werden kann, und anschließend können dann weitere Schritte gegangen werden, also auch, mit weiteren Steuern das Grundeinkommen zu erhöhen.

Was ist denn mit der Mittelschicht?

Vorbemerkung: Ein Grundeinkommensmodell, dass alle oder fast alle besser stellt, ist vor allem eines nicht: seriös. Und: Ein auskömmliches Grundeinkommen ist nur dann finanzierbar, wenn die Besteuerungsgrundlage nicht wegbricht. Wie DIE LINKE darauf zu setzen, dass eine Millionärsteuer schon alles richten wird, ist ebenso Erfolg versprechend wie der oft zitierte „Angriff Steiner“.

Zur Sache: Bei der Mittelschicht werden die Familien besser und die Singles schlechter gestellt. Man könnte auch formulieren: Die schon unverschämte Übervorteilung der Familien wir ein Ende haben. Zudem profitiert die Mittelschicht von der Kombination von Grundeinkommen und Alterseinkünften.

Wer es konkreter haben möchte: Schaut Euch einfach mal den Kalkulator (https://computerdemokratie.de/michael/calc7/Project1.html) an und vergleicht die Zahlen mit einem Brutto-Netto-Rechner.

Insgesamt bleibt das Modell „Sozialstaat 3.0“ nahe am Status quo, alles andere wäre ohnehin nicht seriös prognostizierbar.

Über höhere Mehrwertsteuer kann nachgedacht werden

Ich bin bekanntermaßen überhaupt kein Freund von maßgeblich mehrwertsteuerfinanzierten Grundeinkommens-Modellen. Es geht kurzfristig nicht, weil in einem gemeinsamen Binnenmarkt extrem unterschiedliche Mehrwertsteuersätze nicht funktionieren, es geht auch langfristig nicht (siehe https://computerdemokratie.de/2017/06/22/ueber-konsumsteuerfinanzierte-grundeinkommensmodelle/).

Die Formulierung ist ein Entgegenkommen an die Anhänger von maßgeblich mehrwertsteuerfinanzierten Grundeinkommens-Modellen, die es auch in der Piratenpartei gibt. Und beim Nachdenken kann ja auch heraus kommen, dass die Idee nicht viel taugt…

Schlussbemerkung

Die Gegner eines Grundeinkommens haben – wie auch BPT 2018.1 wieder gezeigt hat – in der Partei nicht die Mehrheit, und sie haben – meiner Meinung nach – auch nicht die besseren Argumente.

Sie haben aber (zumindest teilweise) valide Argumente, sie stellen Fragen, auf die Antworten gegeben werden müssen, sie sind eine notwendige Voraussetzung dafür, dass unsere Postionen besser, realitätsnäher und verständlicher werden. Dementsprechend sollten sie in der Diskussion behandelt werden.

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